- Hügelgräberbronzezeit: Der »Goldene Hut« von Schifferstadt
- Hügelgräberbronzezeit: Der »Goldene Hut« von SchifferstadtDer »Goldene Hut« von Schifferstadt kam 1835 beim Pflügen zum Vorschein, nach Aussagen des Entdeckers stand er mit der Spitze nach oben in einer Grube. Wegen des hohen konischen Oberteils und der krempenartigen Unterpartie wurde der Goldblechkegel aus Schifferstadt sogleich als »Goldener Hut« bezeichnet. Aufgrund der Beifunde - verloren gegangener Kupferdraht und drei große Zeremonialbeile, bei denen es sich um einen in Westeuropa verbreiteten Typ der Absatzbeile handelt (so nach der Schäftungsart genannt, die Vorrichtung an der Klinge zur Aufnahme des Kniestiels hat die Form eines Absatzes) - ist er in die ausgehende Hügelgräberbronzezeit (circa 14. Jahrhundert v. Chr.) zu datieren. Der dünnwandige, 29,6 cm hohe Goldkegel mit einem äußeren Krempenumfang von 56,6 cm ist auf seiner gesamten Fläche verziert. Die von außen mit sechs unterschiedlichen Muster- und Schrotpunzen eingedrückte Verzierung besteht aus horizontal gereihten Bändern mit jeweils nebeneinander angeordneten einfachen runden oder linsenförmigen Buckeln und Ringbuckeln. Diese werden wegen ihrer konzentrischen Ringe auch als Kreisbuckel oder wegen des mittleren kleinen Buckels als Punktbuckel bezeichnet. Die einzelnen Bänder werden durch umlaufende Rippenbündel getrennt. Im Hohlraum des Kegels hafteten Reste einer organischen harz- und wollhaltigen Masse. Man hielt sie zunächst für eine Räuchersubstanz, darunter Malvenblüten; vermutlich aber handelt es sich um Reste des alten Goldschmiedekitts.Nur neun Jahre später wurde bei Avanton im Département Vienne im Westen Frankreichs ein ähnlicher Goldkegel entdeckt, der als »cône« oder »carquois« bezeichnet wird und nur wenig jünger als sein Schifferstadter Gegenstück ist. Dieser Kegel, ein Zufallsfund, von dem keine Fundumstände überliefert sind, ist nicht ganz vollständig. Obwohl Spitze und Mündung fehlen, ist er noch circa 46 cm hoch. Auch seine Außenfläche ist vollständig ornamentiert. Mit neun Punzen wurde an der Spitze ein elfarmiges Strahlenmuster eingedrückt, dessen Zwickel mit Perlbuckeln gefüllt sind. Daran schließen sich horizontale Zierzonen aus Kreisbuckel- und Perlbuckelbändern an, die durch umlaufende Rippenbündel voneinander getrennt sind. Am unteren Rand verläuft eine »Schnurrippe«.Bis zur Entdeckung des dritten und bisher letzten Goldkegels dauerte es über ein Jahrhundert: Im Frühjahr 1953 wurde beiEzelsdorf (Gemeinde Burgthann, Kreis Nürnberger Land) beim Baumstumpfroden am Südhang des Brentnerberges in 80 cm Tiefe ein mit der Spitze schräg nach unten liegender, flachgedrückter und von einer Baumwurzel zersprengter Kegel entdeckt, der in viele Teile zersplittert war; Beifunde gab es nicht. Auch dieser Kegel wurde aus papierdünnem Goldblech getrieben. Die schüsselförmige Mündung der Unterpartie stabilisierte ein circa 8,5 mm breiter Bronzereif. Bei seiner flächendeckenden Verzierung wurden allein 26 unterschiedliche Punzen verwendet. An der Kegelspitze befindet sich ein zehnarmiges Strahlenmuster, dessen Zwickel mit Perlbuckeln gefüllt sind. Darunter sind horizontale Zierzonen mit unterschiedlichen Motiven angeordnet: umlaufende und senkrechte Rippen, Ringbuckel, Ringbuckel mit vertikal dazwischengesetzten kleinen Buckelpaaren, Perlbuckel, linsenförmige Buckel, sechsspeichige Räder, Miniaturkegel, konzentrische Kreise und Ringe. Aufgrund eines Vergleichs der Ornamente kann der Ezelsdorfer Kegel in die jüngere Urnenfelderzeit - das 10. Jahrhundert v. Chr. - datiert werden. Er ist somit der jüngste der drei Kegel und zugleich der schönste. Man schätzt, dass der Goldschmied, der den Kegel von Ezelsdorf schuf und an ihm über 20 000 Einpunzungen anbrachte, zu seiner Herstellung ein Jahr benötigte.Wozu die drei Goldkegel, die zu den Spitzenerzeugnissen der europäischen Bronzezeit gehören, dienten, war lange umstritten. Zunächst wurden sie als repräsentative Kopfbedeckungen oder Kronen, auch als Pfeilköcher gedeutet; dann hielt man sie für Opfer- oder Kultgefäße. Die jüngere Forschung interpretierte sie als Bekrönung hölzerner Kultsäulen oder Phallen, verwandt mit Menhiren und Obelisken, und schrieb ihnen ihre Bedeutung innerhalb eines Pfahl- und Pfeilerkultes zu. Auch gewann die These Anhänger, die lodernde Feuersäule des Alten Testaments (2. Mose 13,21) sei das Vorbild der europäischen Goldkegel. Die Goldkegel wurden mit dem altweltlichen Sonnenkult in Verbindung gebracht, in dem Apollon eine besondere Rolle spielt. Unter Einbeziehung im Dekor verwandter Goldkappen, auch aufgrund des vergleichbaren Durchmessers der Öffnungen (zwischen 18 und 19,5 cm), kehrt die jüngste Forschung wieder zu einer Deutung der hohen Kegel als Kronen zurück. Diese Kappen aus Goldblech werden auch als Hüte, Kronen, Kalotten, Schalen und in einem Fall als Helm bezeichnet. Über den ältesten, beim Torfstechen bei Devil's Bit in der Grafschaft Tipperary in Irland geborgenen, heute verlorenen Hut mit Krempe, die »Comerford Crown« von Devil's Bit, wurde bereits 1723 berichtet. Es folgten mehrere Beschreibungen solcher irischer Kronen, die heute allerdings verloren sind und vermutlich eingeschmolzen wurden. Möglicherweise das Fragment einer weiteren Krone befindet sich in Dublin im National Museum of Ireland. In denselben Zusammenhang sind drei Goldblechkalotten ohne Krempe aus Nordwestspanien zu stellen. Es handelt sich um einen am Strand von Leiro bei Rianxo gefundenen Goldblechhelm und zwei »Schalen« aus Axtroki in der Provinz Guipuzcóa (Baskenland). Vielleicht besaßen sie Krempen aus vergänglichem Material, auf jeden Fall muss man sich diese Kopfbedeckungen gefüttert vorstellen. Für den Nordischen Kreis ist die Kegelhutform durch kleine bronzene Aufsteckfiguren gesichert, als Material kann allerdings nicht ohne weiteres Goldblech angenommen werden. Die Personen, die die Figuren darstellen, dürften priesterlich-hoheitliche Funktionen ausgeübt haben. Verschiedene spitz zulaufende und kugelige Hutformen finden sich auch an Schwertknäufen und als Knöpfe. Auf der Grabplatte I von Kivik ist vermutlich ein sehr hoher Hut abgebildet. Die Goldblechkegel sind mit Sicherheit Ausdruck eines weit verbreiteten bronzezeitlichen Kultes; möglicherweise waren sie Teil einer Zeremonialtracht, vielleicht zugleich auch Stelenbekrönung. Obwohl sie wie die anderen Goldgefäße der europäischen Bronzezeit so gut wie keine Vogel-Sonnen-Barken-Symbolik aufweisen, lassen sich die Kegel wegen des Strahlenmotivs an der Spitze sowie der zahlreichen, als Sonnensymbole deutbaren Ringbuckel und konzentrischen Kreise doch mit der Sonnenverehrung in Zusammenhang bringen.Prof. Dr. Albrecht JockenhövelArchäologische Bronzen, antike Kunst, moderne Technik, herausgegeben von Hermann Born. Ausstellungskatalog, Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin. Berlin 1985.
Universal-Lexikon. 2012.